Mit dem Maler Gustav Bauernfeind begegnen wir einer sehr widersprüchlichen Persönlichkeit. Bauernfeind scheint seine Bestimmung im Leben gefunden zu haben. Hat er jedoch alle Ziele erreicht, die er für sich erhofft hatte?
Seine geniale Begabung lebte er in einem für seine Zeit fernen, vom Weltgeschehen abgelegenen Land aus, Palästina. Unerwartet starb er am Weihnachtstag 1904 mit 56 Jahren in Jerusalem. Nach seinem Tod war sein Werk zumindest in Europa schnell in Vergessenheit geraten. Erst nachdem in den 70-er Jahren des 20. Jahrhunderts ein Bürger der Stadt Sulz am Neckar, Hugo Schmid, den Künstler Bauernfeind wieder entdeckte, eine Biographie verfasste, den Nachlass und viele Bilder aufspürte, wurden auch die Kunstgeschichte und der Kunsthandel auf den lange Vergessenen aufmerksam.
Geboren wurde Bauernfeind 1848 in Sulz am Neckar. Die Familie verließ das kleine Städtchen jedoch schon 1853 in Richtung Stuttgart, wahrscheinlich wegen der politischen Vergangenheit seines Vaters in der 48-er Revolution und den sich anschließenden Gefängnisaufenthalten.
Gustav Bauernfeind erhielt seine künstlerische Ausbildung von 1864 bis 1869 in einem Architekturstudium am Stuttgarter Polytechnikum, das er mit der ersten Staatsprüfung im Baufach abschloss. Seine berufliche Laufbahn begann er zunächst auch als Architekt, doch glücklich machte dieser Beruf ihn nicht. Er zeichnete und unternahm für den Stuttgarter Kunstverlag Engelhorn Reisen nach Italien und in die Schweiz, um von historischen Stätten Illustrationen anzufertigen. Doch auch diese Tätigkeit befriedigte ihn nicht. Bauernfeind ging nach München und suchte Anschluss an die dortige Malerwelt. Die fehlende Anerkennung verbunden mit der schlechten finanziellen Lage führten zu Depressionen und Krankheiten. Er litt sehr darunter, dass man ihm nur wenig Geld für seine Arbeit als Illustrator anbot.
Schließlich begab er sich 1880/1881 auf seine erste Orientreise. Ausgangspunkt war Beirut, wo seine Schwester Emilie wohnte. Hier fand der Maler die für seine Kunst idealen Sujets. Auf seiner zweiten Orientreise (1884 - 1887) lernte er in Jaffa Elise Bertsch kennen, die er 1889 heiratete. Weil seine Frau mit führenden Mitgliedern der hier ansässigen Tempelgesellschaft verwandt war und vielleicht auch aus finanziellen Gründen, übersiedelte Bauernfeind 1896 endgültig in den Orient.
Als er einige Bilder mit gutem Gewinn nach Amerika und England verkaufen konnte, glaubte er, das Genre und den Käuferkreis für seine Werke gefunden zu haben. Doch diese Geschäfte blieben nur einzelne Lichtblicke in einer sonst recht ärmlichen Existenz. Sein Selbstbewusstsein litt, da er immer wieder auf die finanzielle Unterstützung seiner Mutter angewiesen war. In einem Brief denkt Bauernfeind laut über ein Projekt nach, das ihn bekannt machen könnte, ein großes Gemälde in einer Höhe von drei Metern und einer entsprechenden Breite. Dieses Bild müsse er in München malen, aber dazu sei er finanziell nicht in der Lage. Er müsse sich doch auf kleinere Formate beschränken, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Bauernfeind war ein bescheidener, von seinen Malerkollegen geschätzter Mensch, immer wieder von Selbstzweifeln an seinem Talent geplagt. Er arbeitete wie besessen und seine Frau hielt ihm den Rücken frei. Der 1894 geborene Sohn Otto bekam seinen Vater nicht viel zu sehen. Heute gilt Gustav Bauernfeind als der bedeutendste deutsche Orientmaler. Seine Bilder erzielen bei Auktionen Rekorderlöse im 7-stelligen Bereich.
In seinen Motiven spiegelt sich das Ineinander der Kulturen jüdischer, muslimischer und christlicher Prägung, was seine Werke für die Kunstliebhaber sowohl im Nahen Osten als auch in Europa und Amerika so faszinierend macht. Einen Überblick über sein Schaffen und seine Biographie gewährt die Ausstellung im Gustav-Bauernfeind-Museum in Sulz am Neckar.
Volker Ziegler
Literatur (Auswahl)
- Schmid, Hugo: Der Maler Gustav Bauernfeind. 1848-1904. H. Schmid, Sulz 1980.
- Schuler, Kurt: Der Kaiser und die Bauernfeind-Bilder. Episoden von der Palästinareise des deutschen Kaiserpaares anno 1898. In: Sulzer Heimat 1989, 14. S. 1-4.
- Carmel, Alex; Schmid, Hugo (Bearb.); Bauernfeind, Gustav (Ill.): Der Orientmaler Gustav Bauernfeind. 1848-1904. Leben und Werk/The life and work of Gustav Bauernfeind, orientalist painter. Hrsg. in Zusammenarbeit mit dem Gottlieb-Schumacher-Institut zur Erforschung des Christlichen Beitrages zum Wiederaufbau Palästinas im 19. Jahrhundert an der Universität Haifa, Israel. Hauswedell, Stuttgart 1990.
- Seefeldt, Hedwig: Wiederentdeckung eines Orientmalers. Das künstlerische Vermächtnis Gustav Bauernfeinds (1848-1904). In: Tribüne 29 (1990), 116, S. 42-46.
- Karmel, Aleks: "Freilich nehme ich abends einen Revolver mit". Die Orientreisen des Malers Gustav Bauernfeind aus Sulz am Neckar. In: Beiträge zur Landeskunde 1993, 1. S. 1- 7.
- Die Reise nach Damaskus. 1888/89. Tagebuchaufzeichnungen des Orientmalers, herausgegeben von Hugo Schmid unter Mitarbeit von Otto Höschle. Tübingen und Basel 1996.
- Kühner, Petra S.: Gustav Bauernfeind. Gemälde und Aquarelle. Monographien zur bildenden Kunst, Band 5. (Dissertationsschrift.) Frankfurt am Main u.a. 1996.
- Kühner-Versteegh, Petra: Ein verschollenes Meisterwerk von Gustav Bauernfeind . In: Intern. 1997, Oktober. S. 8-9.
- Versteegh-Kühner, Petra: Gustav Bauernfeind . Neue Anmerkungen zu seinem Werk; der Markt der orientalistischen Malerei. In: Weltkunst 68 (1998), S. 1730-1731.
- Schmid, Hugo: Der Maler Gustav Bauernfeind (1848-1904) und der Orient. Mit einer Einführung von Petra S. Versteegh-Kühner. Hauswedell, Stuttgart 2004.
Links
- Wikipediaartikel über Gustav Bauernfeind
- Dahesh Museum of Art
- The Athenaeum
- Gustav Bauernfeind-Museum, Sulz am Neckar
Bildquellen
- Alle Bilder: Gustav Bauernfeind-Museum, Sulz am Neckar