Portari von Hans Hellmann um 1930

Hans Hellmann (1903 - 1938)

Pionier der Quantenchemie

In einer Welt, die von unüberwindlichen politischen Gegensätzen geprägt ist, wird auch ein Wissenschaftler, der sich um die reine Erkenntnis der Natur bemüht, unweigerlich in den Konflikt hineingezogen. Wie vielen, die in den 1930er Jahren Opfer des politischen Gegensatzes zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und der Sowjetunion wurden, erging es auch Hans Hellmann. Wäre er statt in die Sowjetunion in die USA emigriert, hätte sein Lebensweg und seine wissenschaftliche Karriere dort wahrscheinlich einen glücklicheren Verlauf gehabt.

Hans Hellmann in einer Vorlesung an der TH Hannover
Hans Hellmann in einer Vorlesung an der TH Hannover

Hellmann wurde 1903 in Wilhelmshaven geboren. Er studierte seit 1922 ein Semester Elektrotechnik und dann Physik an der TH Stuttgart. Da Professor Erich Regener, damaliger Ordinarius für Physik an der TH Stuttgart, mit Otto Hahn und Lise Meitner befreundet war, konnte Hellmann seine Diplomarbeit bei diesen beiden am Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin über radioaktive Präparate verfassen. Anschließend kam er als Assistent zu Erich Regener und promovierte mit einer experimentellen Arbeit zum Ozonzerfall. Die Erforschung der kosmischen Strahlung und der chemischen Zusammensetzung der Erdatmosphäre bildeten zu diesem Zeitpunkt einen Forschungsschwerpunkt des Stuttgarter physikalischen Instituts.

Regeners Frau hatte in den zwanziger Jahren eine entfernte Verwandte aus der Ukraine aufgenommen, Viktoria Bernstein. Hellmann lernte diese im Haus Regeners kennen und heiratete sie kurz vor seiner Promotion im Jahre 1929. Im selben Jahr ging er als Assistent des Stuttgarter Physikers Erwin Fues an die Technische Hochschule Hannover. Hier forschte er über die Eigenschaften der Moleküle aus dem Blickwinkel der Quantenchemie und über die Natur der chemischen Bindungen.

Hellmann hätte seinen Weg gemacht, wenn nicht die Machtübernahme der Nationalsozialisten dazwischen gekommen wäre. Als er Angaben zur Herkunft seiner jüdischen Frau verweigerte, hatte er als Wissenschaftler keine Zukunft mehr in Deutschland. Sein Antrag auf Habilitation wurde vom preußischen Kultusministerium abgewiesen. Ihm wurde von der Universität Hannover mit Wirkung zum 31. März 1934 gekündigt.

Titelblatt von Hans Hellmanns Buch "Einführung in Die Quantenchemie" von 1937.
"Die Quantenchemie ist eine junge Wissenschaft, die erst ein Jahrzehnt existiert." So Hans Hellmann im Vorwort seiner "Einführung in Die Quantenchemie" von 1937.

Offensichtlich war eine Emigration in die USA für Hellmann keine Option. Sein Blick richtete sich auf die Sowjetunion, vermutlich weil diese sich gerade um ausländische Naturwissenschaftler bemühte, seine Frau hier noch Kontakte hatte oder auch, weil seine politische Einstellung eher links war. Über befreundete Wissenschaftler nahm er Kontakt zum Karpov-Institut für Physikalische Chemie in Moskau auf und erhielt dort 1934 eine Stelle. In Moskau hatte er auch in den ersten Jahren Erfolg und konnte einige wichtige Entdeckungen im Bereich der Quantenchemie formulieren wie das Hellmann-Feynman-Theorem für molekulare Kräfte (1937 von Hellmann publiziert, 1939 ebenfalls von Feynman gefunden). Sein Lehrbuch über die Quantenchemie darf als Höhepunkt seines Forscherlebens angesehen werden. Es erschien zuerst in russischer Sprache, 1937 in einer Neubearbeitung in Deutsch.

Dann hat man von Hellmann nichts mehr gehört. Erst eine Recherche in russischen Archiven lange nach der Auflösung der Sowjetunion erbrachte Klarheit: Hans Hellmann war bei der großen "Säuberungswelle" 1938 als angeblicher deutscher Spion verhaftet und am 29. 5. 1938 vom sowjetischen Geheimdienst ermordet worden. Mit seinem Tod wurden auch seine Leistungen zunächst vergessen, vielleicht auch deshalb, weil der Blick der westlichen Wissenschaft die Arbeiten der sowjetischen Forschung nicht immer gebührend wahrnahm und würdigte.

Volker Ziegler

Literatur

  • W. H. E. Schwarz: Hans Gustav Hellmann (1903-1938) I. Ein Pionier der Quantenchemie. In: Bunsen-Magazin 1999, Heft 1, S. 10-21, II. Ein deutscher Pionier der Quantenchemie in Moskau. Ebd. Heft 2, S. 60-70.
  • Kovner, Michail A.: Gans Gustavovi Gel'man: 1903 - 1938. Otv. red. V. P. Vizgin. [Rossijskaja Akademija Nauk]. Moskva/Moskau 2002 (Serija Nauno-biografieskaja literatura).
  • Karl Jug, Wolfgang Ertmer, Joachim Heidberg, Manfred Heinemann, W. H. Eugen Schwarz: Hans Hellmann: Pionier der modernen Quantenchemie, Chemie in unserer Zeit 38 (2004), S. 412-421.

Links

Bildquellen

  • Alle Bilder: Dipl. Ing. Hans Hellmann jun., Siegen, und Prof. emer. Dr. W. H. Eugen Schwarz, AG Theoretische Chemie, Labor für Physikalische & Theoretische Chemie Universität Siegen sowie Universitätsarchiv Stuttgart SN96
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