Mit den deutschen Einwanderern kam auch das deutsche Bier nach Amerika. Deshalb ist es auch nicht überraschend, dass wir bei den Bierbrauern immer wieder auf deutsche Namen treffen. Bemerkenswert ist allerdings, dass auch die Architekten der Brauereien aus Deutschland kamen. Ein Beispiel ist Ludwig Wilhelm Lehle. Dieser hatte 1860 sein Studium am Polytechnikum Stuttgart begonnen und war 1867 als Ingenieur nach Chicago ausgewandert.
Über Ludwig Lehle wäre wahrscheinlich nicht mehr viel in Erfahrung zu bringen, wenn es den amerikanischen Zensus nicht gäbe. Schon im 19. Jahrhundert wurden in den USA Volkszählungen abgehalten, so 1880 und 1900. Das "Book of Chicagoans for 1917" enthält ebenfalls wichtige Angaben über Lehle. Danach wurde er am 31. August 1846 in Ulm geboren. Er heiratete 1872 Josephine Watson, mit der er mehrere Kinder hatte. Der Zensus von 1900 erwähnt drei Kinder, Susan, Anna und William, das "Book of Chicagoans for 1917" nennt die Söhne Georg Louis und William Louis jr. Mit seinen Söhnen gründete Louis William Lehle, der inzwischen seine Vornamen ins Amerikanische übertragenen hatte, ein eigenes Architekturbüro in Chicago, Louis Lehle & Sons.
1876 kam es mit der Einführung künstlicher Kälte durch Linde'sche Ammoniakkompressoren zu einer technischen Revolution im Brauereiwesen. Nun konnte das ganze Jahr bei Temperaturkonstanz Bier gebraut werden. Für die Lagerung benötigte man jetzt kein natürliches Eis mehr, sondern konnte ebenfalls auf die künstlich erzeugte Kälte zurückgreifen. So wurden die Produktionsmengen noch einmal kräftig gesteigert. Zwischen 1880 und 1901 stieg der Bierkonsum in den USA von 13 auf 37,4 Millionen Fass. Groß- und Exportbrauereien wurden möglich. Viele kleinere Produktionsanlagen wurden in dieser Zeit durch größere ersetzt: Eine gute Zeit für spezialisierte Architekten, die sich über Aufträge nicht beklagen konnten.
Lehle baute Brauereien in den ganzen USA: So im Jahr 1890 das Brauhaus der Jackson Koehler Eagle Brewery, 1891 zusammen mit August Gunzmann den Blatz Brewery Complexin Milwaukee (Wisconsin) und vor allem die Grain Belt Brewery der Minneapolis Brewing and Malting Company in Minneapolis. Dieses Gebäude erhielt im Jahr 2005 den "National Preservation Award". Hinzu kommen noch einige Brauereigebäude, die in das "National Register of Historic Places" aufgenommen wurden, so zum Beispiel die Jackson Eagle Brewery, der Blatz Brewery Complex und der Joseph Schlitz Company Brewery Complex. Für die Grain Belt Brewery arbeitete Lehle mit Frederick Wolf zusammen, ebenfalls ein deutschstämmiger Architekt, mit dem er von 1889 bis 1894 das Architekturbüro Wolf & Lehle betrieb.
Weitere Brauereien, für die Lehle als Architekt arbeitete, sind die Thieme & Wagner Brewing Company in La Fayette (1960 abgerissen), die Conrad Seipp Brewery in Chicago, La Crosse (John Gund),die Detroit Brewing Company, die Dixie Brewery in New Orleans (1907), der Fitger's Brewery Complex (1886) in Duluth (Minnesota).
Über die späteren Jahre von Lehle ist bisher nur bekannt, dass er 1917 noch lebte. Lehle war inzwischen Präsident der Commercial Motion Picture Manufacturing Co. und Mitglied der Architects' Business Association.
Volker Ziegler
Quellen und Literatur
- Apple, Susan: New Finds in Brewery Architecture.
In: Society for Industrial Architecture, Newsletter Bd. 28 (1999) Nr. 2, S. 14-15. - The Book of Chicagoans. A biographical dictionary of leading living men and women of the city of Chicago. 1917. Ed. by Albert Nelson Marquis. Chicago 1917.
- One Hundred Years of Brewing: A complete History of the Progress made in the Art, Science and Industry of Brewing in the World. Chicago, New York 1903.
- Newberry Library, Chicago: Zensus-Listen Chicago 1880.
Links
Bildquellen
- Oben: One Hundred Years of Brewing (s. unter Quellen und Literatur), S. 141. Mitte: The Western Brewer, Febr. 1893. Unten: wikipedia.org (Todd Murray)